Bedürfnisse

Bedürfnisse sind evolutionär angelegt, ganz tief in uns drin. Sie sind wichtig, weil sie von klein an unser Überleben sichern. Schon als Säugling suchen wir die Nähe der Mutter, da sie uns Nahrung, Sicherheit und Liebe geben soll. Durch sie essen und lieben wir, geben Acht auf uns und andere und streben danach uns selbst zu verwirklichen. Ganz Unbewusst senden die Bedürfnisse Impulse, die uns dann zum Handeln motivieren. Unsere Bedürfnisse operieren dabei meist unterhalb unseres Bewusstseins - sowohl der Auslöser für bedürfnisbezogenes Verhalten als auch das dahinterstehende Bedürfnis sind nur schwer für uns zu erkennen. Wenn wir also einem Kollegen einen Gefallen tun wollen, obwohl wir selbst viel beschäftigt sind, können wir uns fragen warum wir das tun. Um dem Chef zu beweisen, dass wir alles schaffen können? Oder weil wir im Kollegium sozial integriert sein möchten? Bedürfnisse zu erkennen und zu benennen verlangt die eigenen Gewohnheiten und die dahinterliegende gesamte Bedürfniskette in Frage zu stellen. Wann tue ich was und warum?
Das tückische ist, dass wir danach streben diese Bedürfnisse zu befriedigen bis ein gewisser Soll-Wert erreicht wird, bis es sich "richtig" anfühlt. Wenn dieser zu Soll-Wert allerdings zu hoch oder zu niedrig ist oder wenn wir uns zu sehr anstrengen ein bestimmtes Bedürfnis zu befriedigen und damit andere vernachlässigen, kann das problematisch sein. Wenn man z.B. seine eigenen Aufgaben nur noch mit schlaflosen Nächten erledigt, nur um keinen Kollegen zu enttäuschen, dann ist man zu müde und folgt nicht mehr seinen eigenen Zielen, nur um gesehen und anerkannt zu werden. Man stellt also ein Bedürfnis - wie das nach sozialen Beziehungen - über andere - hier nach Schlaf und Selbstverwirklichung.
Im Folgenden möchten wir Dir erst zeigen welche Bedürfnisse es gibt. Diese sogenannten Grundbedürfnisse bilden die Grundlage der Bedürfnisbefriedigung. Sie stehen in einer scheinbar hierarchischen Anordnung, da die Befriedung mancher relevanter ist wie die von anderen.
Danach möchten wir noch genauer erklären wie die Bedürfnisse unser Verhalten steuern und wie dadurch ausgelöste Probleme entstehen. Wenn im Schulalltag Schwierigkeiten auftauchen - für einen selbst oder bei einem Schüler, einer Schülerin - können die Gründe manchmal sehr tief liegen, weshalb ein Blick auf die Waage der Bedürfnisse mehr Verständnis bringen kann. Wie genau man sich diesen eher unbewussten Wahrnehmungen nähert, erklären wir hier.

Unsere Grundbedürfnisse

Physiologie
Die physiologischen Bedürfnisse beschreiben alle vom Körper ausgehenden lebensnotwendigen Prozesse. Da der Mensch für einen intakten Organismus Schlaf, Essen, Trinken, Wärme und dergleichen braucht, erzeugen diese Prozesse eine Impuls und folgern ein Verhalten, was darauf abzielt das Bedürfnis zu befriedigen. Wir gehen einkaufen, weil wir etwas zu essen kaufen wollen und kaufen womöglich viel zu viel, weil wir gerade hunger haben.
Sicherheit
Das Bedürfnis nach Sicherheit ist ein tief in uns liegendes Bedürfnis nach einer Umgebung, in der wir uns geborgen und frei von Gefahr fühlen. Gleichzeitig möchten wir uns als Person in dieser Umgebung aber auch wirksam fühlen, also nicht wie ein Möbelstück oder ein Gast, sondern wie ein Teil davon, was Einfluss auf die Umgebung hat, wo es nicht egal ist, ob man dort ist und nicht dazu gezwungen wird. Ein Gefühl wie man ein Zuhause meist hat.


Soziale Beziehungen
Der Mensch ist ein soziales Wesen und hat deshalb auch das Bedürfnis nach sozialen Beziehungen.
Bitte beachten Sie, dass dieser Abschnitt in Kürze erweitert wird.
Exploration
Schon im Kleinkindalter streben wir Menschen danach unsere Umgebung zu erkunden. Wir sind stets auf der Suche, möchten Dinge verstehen, Neues entdecken. Ein Gleichgewicht zwischen der Nähe zur Bezugsperson und der Freiheit zur Exploration sind bei kleinen Kindern das Pendel für eine erfolgreiche sichere Bindung. Dieses Bedürfnis nach Exploration ist also die Ergänzung zum Bedürfnis nach sozialen Beziehungen.


Selbstwert
Das Bedürfnis nach Selbstwert ist der unbewusst in uns verankerte Wunsch sich wertvoll zu fühlen. Wir versuchen in sozialen Begegnungen, in Fähigkeiten und im allgemein Tun unseren Wert zu elaborieren.
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Selbstentfaltung
Selbstentfaltung ist eine komplexe Stufe der Bedürfnislandkarte. Sie erfordert zumeist die vorherige Befriedigung der grundlegenderen Bedürfnissen, wie die physiologischen und sozialen Bedürfnisse. Doch ähnlich wie die anderen ist auch hier das Verhaltensimpuls eher unbewusst.

Wann setzt die Befriedigung ein?
Wir streben danach unsere grundliegenden Bedürfnisse zu befriedigen. Das tun wir bis ein gewisser Soll-Wert erreicht wird, bis es sich eben "richtig" anfühlt. Wann der Moment der Bedürfnisbefriedigung erreicht ist, ist sehr individuell. Ein Schüler braucht mehr Aufmerksamkeit als ein anderer. Das kennt jede Lehrkraft. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Man hat leider kein eingebautes Liebes-Thermometer, was sich nur bis zu einer gewissen Temperatur erwärmen muss und dann fühlt es wonnig warm geliebt an. Das ist eher wie mit dem Duschen - die einen duschen wärmer als andere. ABER es gibt einen gewissen Referenzrahmen, in dem sich die meisten bewegen. Die meisten duschen bei 36-38 Grad Celsius, nur wenige duschen freiwillig konstant mit 15 Grad kaltem Wasser. So in der Art kann man sich das auch mit den Bedürfnissen vorstellen: die meisten Menschen brauchen eine "normale" Menge an Aufmerksamkeit, Liebe und Zuneigung von Familie, Freunden und ein paar nahestehenden Bekannten bis sie sich im Rahmen des Bedürfnisses nach soziale Beziehungen geliebt und anerkannt fühlen. Sie können durch "normale" zwischenmenschliche Interaktionen ihr Bedürfnis befriedigen. Wenige andere brauchen aber ganz viel Aufmerksamkeit, Lob und Anerkennung und das am besten von jedem Menschen in ihrer Umgebung, und selbst dann fühlen sie sich noch nicht ganz wohl in ihrer Haut. Doch warum ist das so? Wie entstehen solchen gravierenden Unterschiede?

Wie entsteht ein Ungleichgewicht?
Wenn wir geboren werden, verfolgen wir die Befriedung ganz grundlegender Bedürfnisse: nach Nahrung, Schlaf, Wärme, Sicherheit und Zuneigung. Diese erhält der Säugling von seiner primären Bezugsperson - meist Mutter oder Vater. Wenig später gewinnen auch sekundäre Bezugspersonen, wie die erweiterte Familie und Freunde an Bedeutung, da das Kleinkind das Bedürfnis entwickelt seine Welt zu explorieren. Durch Vielfältigkeit unserer Umgebung und Individuen nimmt sich das Kind dann auch immer mehr selbst als eigenständige Person wahr. Das bringt wieder neue Bedürfnisse mit sich - nämlich nach Selbstwert und Selbstentfaltung. Sobald wir wissen, dass wir selbst eigenständige Handeln und wirken können, möchten wir dies auf unsere Art und Weise tun, herausfinden wer wir sind und was wir wollen und uns dabei wirksam fühlen.
Wenn diese Entwicklung zu irgendeinem Zeitpunkt beeinträchtigt wird - sei es weil sich das Kind nicht sicher fühlt, keine Liebe erfährt, vernachlässigt oder stark kontrolliert und eingeschränkt wird, werden manche Bedürfnisse nicht erfüllt oder gehemmt. Die Konsequenz ist, dass der eingebaute Soll-Wert sich verändert. Man braucht dann plötzlich viel mehr oder weniger von einer Sache als es in einem ausgeglichenen Verhältnis wäre. Ist der Soll-Wert eines Bedürfnis also zu hoch oder zu niedrig folgt ein maladaptives Befriedigungsverhalten. Wir strengen uns wahnsinnig an ein defizitäres Bedürfnis zu befriedigen und vergessen dabei andere. Es entsteht ein Ungleichgewicht.